Lock-In-Effekte: Was ist das genau und wie können Maschinenbauer sie vermeiden?

Helge Klüssendorff
Dr. Helge Klüssendorff
15. Mai 2024
5 min Lesezeit
Locked up door

Im Wettrennen der digitalen Transformation ist die Entwicklung innovativer Software von entscheidender Bedeutung für Maschinenbauer, die ihre Position als Marktführer halten oder zum neuen Spitzenreiter werden möchten. Oftmals greifen Unternehmen auf externe Partner zurück, um ihre Softwarelösungen zu entwickeln und zu implementieren.

Die Vorteile, die sich daraus ergeben, liegen auf der Hand:

Kostenersparnis

Unternehmen können auf diese Weise die Kosten für die Einstellung und Schulung interner Software-Entwickler reduzieren und müssen sich auch keine Sorgen um fehlende Fachkräfte machen. Externe Dienstleister können oft kostengünstigere Lösungen anbieten, da sie über spezialisiertes Know-how und die entsprechenden Ressourcen verfügen.

Zugang zu Fachwissen

Externe Software-Entwickler haben oft umfangreiches Fachwissen und Erfahrung in der Entwicklung von Softwarelösungen für den Maschinen- und Anlagenbau. Durch Outsourcing können Unternehmen auf dieses Fachwissen zugreifen und von den Best Practices der Branche profitieren

Zeitersparnis

Die Auslagerung der Software-Entwicklung ermöglicht es Unternehmen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren und interne Ressourcen für andere wichtige Aufgaben einzusetzen. Externe Dienstleister können die Entwicklung effizienter gestalten und die Time-to-Market verkürzen.

Flexibilität

Unternehmen erhalten die Möglichkeit, ihre Software-Entwicklungskapazitäten je nach Bedarf zu skalieren. Bei steigendem Projektvolumen können externe Dienstleister schnell zusätzliche Ressourcen bereitstellen, während bei geringerem Bedarf die Kosten reduziert werden können.

Technologische Innovation

Externe Dienstleister sind oft auf dem neuesten Stand der Technologie und können Unternehmen dabei unterstützen, innovative Lösungen zu entwickeln. Durch die Zusammenarbeit mit Experten können Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern und neue Technologien schneller einführen.

Neue Blickwinkel

Außenstehende sind unvoreingenommen und können Ihr Unternehmen von einer objektiven Position aus betrachten. Hier entstehen oftmals ganz neue Ansatzpunkte, die intern vielleicht gar nicht aufgefallen wären. Frischer Wind hilft gegen Betriebsblindheit!

Dennoch gibt es natürlich auch Schattenseiten. So fürchten viele Maschinen- und Anlagenbauer sogenannte Lock-In-Effekte, die die Flexibilität und Unabhängigkeit des Unternehmens beeinträchtigen können. Diese Sorge ist nicht unberechtigt, denn immer wieder finden sich mittelständische Unternehmen in Patt-Situationen, die durch die Zusammenarbeit mit externen Partnern entstanden sind.

In diesem Blog-Artikel befassen wir uns genauer mit Lock-in-Effekten und zeigen Möglichkeiten auf, wie insbesondere Maschinenbauer diese vermeiden können.

Was sind Lock-in-Effekte?

Lock-in-Effekte treten auf, wenn ein Unternehmen von einem externen Partner abhängig wird und Schwierigkeiten hat, zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Dies kann verschiedene Gründe haben, wie zum Beispiel proprietäre Technologien, fehlende Dokumentation oder mangelnde Kompatibilität mit anderen Systemen. Solche Abhängigkeiten können zu höheren Kosten, eingeschränkter Flexibilität und einem Verlust an Kontrolle führen.

Um solche Lock-in-Effekte zu vermeiden, gilt es - wie auch im Privatleben: Augen auf bei der Partnerwahl! Denn oftmals werden potenzielle Probleme erst dann ersichtlich, wenn es schon zu spät ist. Um dieses Szenario zu vermeiden, sollten die nachfolgenden Punkte beachtet werden.

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Eigenschaften des Partners

Der erste Schritt zur Vermeidung von Lock-in-Effekten besteht darin, den richtigen Partner für das eigene Projekt auszuwählen. Doch den zu finden, ist gar nicht so leicht. Die Auswahl ist groß und die Vertragsbedingungen oftmals verwirrend. Wir geben Maschinen- und Anlagenbauern folgende Must-Have-Kriterien eines guten Partnerunternehmens mit auf den Weg:

  1. Langfristige Ausrichtung:
    Gute Zusammenarbeit zeichnet sich durch Langfristigkeit aus. Haben Sie das Gefühl, das potenzielle Partnerunternehmen jagt nur dem schnellen Geschäft hinterher? Dann lassen Sie besser die Finger davon und suchen nach Unternehmen, die eine nachhaltige Partnerschaft anstreben. Dabei sollten Sie auch darauf achten, dass der finanzielle Background dafür gegeben ist. Junge Agenturen und Start-Ups versprechen häufig gute Konditionen, können sich am Markt jedoch möglicherweise nicht lange halten.
  2. Umfassende Erfahrung:
    Unternehmen sollten des Weiteren sorgfältig prüfen, ob der potenzielle Partner über umfangreiche Erfahrung im gewünschten Gebiet verfügt. Spezialisten für Softwareentwicklung gibt es viele, doch die Sprache des Maschinenbaus sprechen nur wenige. Die Kombination aus Software-Kompetenz und Verständnis für den industriellen Mittelstand vereinfacht nicht nur die Kommunikation, sondern spart auch Zeit und Geld bei der Feature-Entwicklung.
  3. Klare Vertragsbedingungen:
    Bei der Zusammenarbeit mit externen Partnern ist es wichtig, von Anfang an klare Vertragsbedingungen festzulegen, die die Interessen des Maschinenbauers schützen. Dazu gehört es auch, vorab zu klären, dass ausgestiegen werden kann, und wann und womit. Exakte Kommunikation und klare Zielsetzungen - am besten festgehalten in Verträgen - schafft Klarheit und Sicherheit.
  4. Schrittweise Implementierung:
    Je früher potenzielle Lock-In-Effekte erkannt und vermieden werden können, desto besser. Deshalb empfiehlt es sich, anfangs kleine Schritte gemeinsam mit dem Partnerunternehmen zu gehen.
    Wenn die Kommunikation stimmt, die Vorstellungen passen und man sich einfach auch zwischenmenschlich gut versteht, können größere Schritte möglich werden: Vom Workshop über den Prototypen bis hin zum finalen Produkt. Auch die schrittweise Implementierung der Softwarelösung kann dazu beitragen, Lock-in-Effekte zu vermeiden. Anstatt sich von Anfang an vollständig auf den externen Partner zu verlassen, kann das Unternehmen z.B. schrittweise Module in Auftrag geben. Dadurch wird das Risiko minimiert und das Unternehmen behält stets die Kontrolle über den Entwicklungsprozess.
  5. Regelmäßige Überprüfung und Evaluierung:
    Es ist wichtig, regelmäßig die Zusammenarbeit mit externen Partnern zu überprüfen und zu evaluieren. Dabei sollten nicht nur die technischen Aspekte, sondern auch die Vertragsbedingungen und die Zufriedenheit des Unternehmens bewertet werden. Wenn sich herausstellt, dass die Zusammenarbeit nicht den Erwartungen entspricht oder Lock-in-Effekte drohen, sollten Sie rechtzeitig handeln und gegebenenfalls den Partner wechseln. Achten Sie schon im Vorfeld darauf, dass während der Entwicklungsphase regelmäßig Abstimmungstermine eingeplant werden, z.B. Reviews und Vorstellungen neuester Features/Updates. Auch nach Fertigstellung der ersten Produktversion sollten regelmäßige Abstimmungstermine angeboten werden.
  6. Attraktive Zahlungsmodelle & Transparente Preisstrukturen:
    Da digitale Produkte keine statischen Objekte sind, erfordern sie meist ein Lizenz-System statt einer einmaligen Investition. Das ist jedoch nicht immer umsetzbar für ein Maschinenbauunternehmen, z.B. dann, wenn Fördergelder im Spiel sind. Diese können in der Regel nicht monatlich ausgeschüttet werden. In solchen Fällen sollte am besten ein Partner gesucht werden, der auch für die Zahlung einer Einmallizenz offen ist. Wer jedoch Wert auf regelmäßige Updates, Sicherheitsprüfungen und technischen Support legt, ist mit einer monatlichen Zahlstruktur besser beraten. Aber egal ob großes Lizenzpaket oder monatliche Zahlungen: Wichtig ist, dass die Preisstrukturen transparent sind. Denn bei vielen Anbietern steigen die Kosten exponentiell bei der Skalierung. D.h. was sich am Anfang noch nach einem guten Deal anhört, wird schnell zum Albtraum bei Anbindung größerer Maschinenzahlen.

Software

Eigenschaften der Software

Die richtige Software selbst ist natürlich genau so wichtig wie ein guter Partner. Wer IT-Projekte auslagern möchte, sollte sich also genauer damit beschäftigen, ob die versprochene Software bzw. Plattform auch die nötigen Ansprüche erfüllt, um Lock-In-Effekte zu vermeiden. Die wichtigsten Kriterien finden Sie hier im Überblick:

  1. Modulare Architektur:
    Bitten Sie Ihre externen Partner immer darum, eine modulare Architektur für die Software zu entwickeln. Dadurch können einzelne Komponenten leicht ausgetauscht oder aktualisiert werden, ohne dass das gesamte System betroffen ist.
  2. Offene Standards und Schnittstellen:
    Stellen Sie sicher, dass die entwickelte Software auf offenen Standards und Schnittstellen basiert. Dadurch wird die Interoperabilität mit anderen Systemen gewährleistet und Sie sind nicht an einen bestimmten Anbieter gebunden.
  3. Dokumentation, Wartbarkeit & Konfiguration:
    Legen Sie Wert auf eine umfassende Dokumentation der entwickelten Software. Durch diese transparente Vorgehensweise gewinnen Sie ein besseres Verständnis für die Software und können Wartungsarbeiten und Erweiterungen jederzeit nachvollziehen. So behalten Sie zu jeder Zeit die Kontrolle über Ihr Produkt. Im Optimalfall sollte es Ihnen sogar ermöglicht werden, selbst Konfigurationen am Code vorzunehmen.
  4. Unabhängige Datenhaltung:
    Stellen Sie sicher, dass die Daten unabhängig von der entwickelten Software gespeichert werden. Dadurch können Sie bei Bedarf die Software wechseln, ohne dass die Daten verloren gehen oder konvertiert werden müssen. Es sollte vertraglich festgehalten werden, dass Sie zu jedem Zeitpunkt alleiniger Inhaber der Daten bleiben - auch wenn diese auf den Servern des Partners gespeichert werden - und die Herausgabe jederzeit verlangen können.

Fazit

Die Vermeidung von Lock-in-Effekten bei der Entwicklung von Software für Maschinenbauer durch externe Partner erfordert eine sorgfältige Auswahl des Partners, die Verwendung offener Standards und Schnittstellen und klare Vertragsbedingungen. Im Zweifel hilft es jedoch auch, darauf zu achten, ob das Zwischenmenschliche passt. Denn wo man sich gut versteht und die gleichen Wertvorstellungen geteilt werden, gelingen erfolgreiche, gemeinsame Projekte, von denen beide Seiten profitieren!

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Helge Klüssendorff
Dr. Helge Klüssendorff
15. Mai 2024
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